Beratung & Coaching Durchführung & Steuerung Review & Assessment Kostensensibilität bei Ausschreibungen ist verständlich und sinnvoll. Deshalb wird bei einer Ausschreibung häufig ein externer Projektleiter mit einem tieferen Stunden- oder Tagesansatz bevorzugt, um vermeintlich die gesamten Projektkosten tief zu halten.
Dass das ein Trugschluss sein kann, zeigt folgende Analyse.
Von Peter Roth, 3. Oktober 2023
Alle Eltern kennen das. Bei der Geburt des ersten Kindes kann man sich noch so gut vorbereiten, Kurse besuchen, Bücher lesen und unzählige gutgemeinte Praxisempfehlungen von Familie, Freunden und Bekannten beachten. Doch eine Geburt initiiert so grosse Veränderungen, welche man sich bei bestem Willen vorher nicht vorstellen konnte. Auch die Herausforderungen nach der Geburt vom Baby bis zum/r pubertierenden Jugendlichen bleiben gross und ungewiss. Beim zweiten Kind verläuft es dann schon besser, doch unterscheidet sich das zweite Kind häufig komplett zum ersten, und neue Herausforderungen entstehen, die so noch nie da waren. Jedes Kind ist ein Individuum mit eigenem Charakter und Bedürfnissen. Auch wenn man in der Rolle als Eltern immer besser wird, perfekt wird man nie.
Ähnlich passiert es auch bei Projekten. Per Definition ist jedes Projekt einzigartig. Auch ist ein Projekt ein Vorhaben in der Zukunft, und wir wissen nicht genau, was auf uns zu kommt, sowohl im Projekt und um das Projekt herum. Gemäss Cynefin-Framework gibt es fünf Domänen von Kontexten (z.B. Projekten) mit möglichen Lösungsansätzen, die einfache/klare (simple/clear) Domäne, die komplizierte (complicated), die komplexe (complex), die chaotische (chaotic) und die fünfte Domäne Disorder, wo unklar ist, welcher Zustand vorhanden ist. Je komplexer und chaotischer ein System ist, desto weniger vorhersehbar und planbar ist dieses. In der modernen (VUCA- oder BANI-)Welt bewegen wir uns überall immer mehr in diese Richtung. Nur eine möglichst grosse Kombination aus Wissen und Erfahrung in technischen, methodischen und sozialen Bereichen ermöglichen die Fähigkeit, adäquat aus offenen Problemstellungen innovative und kreative Lösungen hervorzubringen und auf Unvorhergesehenes gelassen, kompetent und konstruktiv zu reagieren.
Konkret heisst das, je komplexer und chaotischer Projekte sind, desto mehr sind zusätzliche spezifische und begleitende Kenntnisse und vor allem persönliche Reife des Projektleiters mit spezifischer Erfahrung im Beruf und anderen Lebensbereichen nötig.
Entsprechend steigert mit zunehmendem Wissen und Erfahrung die Wahrscheinlichkeit, dass ein komplexes Projekt erfolgreich und nutzbringend abgeschlossen wird. Obwohl im Stellenmarkt ein Projektleiter mit 5 Jahren Erfahrung als Senior bezeichnet wird, wird er/sie nicht zahlreiche grosse Projekte in verschiedenen Bereichen in dieser Zeit durchgeführt haben. Für grosse, komplexe Projekte braucht es tatsächlich grosse Erfahrung.
Basierend auf dieser Erkenntnis muss sich nun ein Auftraggeber die folgenden Fragen stellen:
Des Weiteren sollte in all den Kostenbetrachtungen nicht vergessen werden, dass sich ein positives Bild für einen erfahrenen Projektleiter nicht nur bei den Finanzen, sondern auch bei anderen Projektaspekten wie bei der Führung, Planung, Steuerung, Effektivität, Risiko- und Chancenmanagement, oder zum Beispiel bei der Effizienz der Ausführung zeigt.
Während sich ein weniger erfahrener Projektleiter bei vielen Problemstellungen mangels ähnlicher Erlebnisse die möglichen Lösungsansätze von Grund auf hart erarbeiten muss, kann ein erfahrener Projektleiter diesen aus der Schublade ziehen und gezielt adaptieren, verbessern und umsetzen.
Auch erkennt ein erfahrener Projektleiter viel früher Störungen, Probleme, Konflikte und Risiken, und kann entsprechend frühzeitig und mit weniger Auswirkungen agieren.
Dadurch benötigt ein erfahrener Projektleiter insgesamt weniger Aufwand, was Dauer, Aufwand und die Gesamtkosten deutlich senkt.
Selbstverständlich hängen diese Aussagen direkt von der Person und derer/dessen Hintergrund und ihrer/seiner Handlungsweisen ab und kann stark abweichen.
Anstatt bei einer Ausschreibung bei der finanziellen Seite nur auf den Stunden- oder Tagesansatz eines externen Projektleiters zu achten, sollten die Auftraggeber mehr auf die geplanten Gesamtkosten für den Projektleiter fokussieren. Und um sicher zu gehen, dass diese nicht überschritten werden, kann ein Kostendach im Auftrag verankert werden. Damit hat der Auftraggeber den Fünfer und s'Weggli.